Forum X

 

Forum X ist ein integraler Ansatz von Schattenintegration durch theatralische Gestaltung.

In seinem Ursprung wurde es in Gemeinschaften entwickelt, um den emotionellen Untergrund der alltäglichen Kommunikation ans Licht zu bringen - auf eine ehrliche, humorvolle und erkenntnisreiche Art.

Die Form ist einfach. Die Teilnehmer sitzen im Kreis, und jeweils eine Person tritt in die Mitte des Kreises. Sie beginnt eine einfache Improvisation zu dem Thema, das sie bearbeiten möchte und wird dabei durch eine Moderation unterstützt.

Grundlage für die Arbeit ist ein urteilsfreier „Raum des Sehens“. Er wird dadurch hergestellt, dass alle Anwesenden sich bereit erklären, ganz präsent zu sein und dabei ihre Urteile, die unweigerlich auftauchen, wahrzunehmen als das, was sie sind, und nicht auf die Darstellung zu projizieren. In diesem Raum findet die künstlerische Arbeit von Forum X statt.

 

Wir arbeiten mit dem Potenzial der verdrängten Anteilen unseres Selbst, dem Schattenpotenzial.

Als Schatten betrachte ich Erfahrungen und Gefühle, die wir zu einem früheren Zeitpunkt unseres Lebens aus unserem bewussten ICH ausgelagert haben, weil wir sie nicht verarbeiten konnten, oder Potenziale, die wir aus bestimmten Gründen nicht nutzen. Ihre Energie steht uns nicht zur Verfügung, wir erleben sie nicht als „ICH“. Sie begegnen uns in anderen Menschen oder in äußeren Situationen, die uns in besonderem Maße beschäftigen.

Schattenarbeit heißt, sich dieser Teile bewusst zu werden als Teil von „ICH“ und uns dadurch ihre Energie wieder anzueignen. Das wird häufig als Kraftgewinn erlebt.

Je weiter eine Erfahrung aus dem bewussten Teil des ICH hinausgedrängt ist, desto höher müssen das Vertrauen und die Entschiedenheit sein, um sie wieder hereinzuholen. In dieser Arbeit werden wir Zeuge von all dem, was diesen Prozess begleiten kann, wie z.B. Angst, Scham, Hass oder Lust. Dabei ist wichtig, dass diese Teile wahrgenommen werden und sich zeigen können, ohne dass eine moralische Reaktion von außen kommt im Sinne von „Das ist schlecht, unzulässig, merkwürdig, ...“ etc.

 

Was ist gemeint mit moralischer Reaktion? Ein Beispiel:

Coca Cola ist ungesund und agiert als Firma asozial, hat aber eine hohe Energie: es schmeckt und ist sexy. Reagiere ich darauf moralisch („Coca Cola ist schlecht und deswegen darf man keine Cola trinken“) oder urteilsfrei bzw. neugierig („Das ist interessant“)? Die erste Reaktion macht den Deckel zu und hinterlässt einen Widerspruch im Untergrund, die zweite ermöglicht zum Beispiel, diesen inneren Widerspruch beim Anblick oder Trinken einer Cola wahrzunehmen und künstlerisch auszubauen, etwa durch Übertreibung der beiden Seiten. Dadurch ist zum einen mehr Freude und Humor möglich und zum anderen in den meisten Fällen auch mehr Erkenntnis.

 

Kunst erlaubt uns, Gegensätze nebeneinander stehen zu lassen, manchmal sogar zu zelebrieren und anzuerkennen, dass mehrere Perspektiven existieren und einen wahren Kern haben. Für die Kunst sind die Prozesse menschlicher Entfaltung „Rohstoff für Gestaltung“, die hässlichen genauso wie die entzückenden. Sie entscheidet sich nicht für eine Seite, indem sie die andere ignoriert oder abwehrt. Im Falle der Cola: „Mir schmeckt's halt“ ignoriert die Realität der sozialen Rücksichtslosigkeit des CocaCola Konzerns. „Man darf keine Cola mehr trinken“ negiert die hohe Anziehungskraft und das Nährende von Genuss und IN-sein.

 

Aus der künstlerischen Schau können neue Perspektiven entstehen, indem wir die vorhandenen Energien spielerisch durchdringen. Dies können wir erst, wenn wir die nächst höhere Perspektive einnehmen, also nicht mehr identifiziert sind mit der Erfahrung, sondern sie als TEIL unserer Erfahrung anerkennen. Das heißt, wir können im Angesicht dieses Widerspruchs präsent bleiben und Zeuge sein. Wir flüchten uns nicht in Geistesabwesenheit noch in eine volle Identifikation oder Abwehr.

Auf diese Weise arbeitet Forum X energetisch-gestalterisch. Das Beispiel von CocaCola mag dem einen oder anderen nicht so nahe sein. Das Prinzip lässt sich auf alle Ereignisse des Lebens übertragen, über die wir ein Urteil gefällt haben, an dem wir festhalten, so auch auf die Erfahrungen aus früheren Phasen unserer persönlichen oder kollektiven Entwicklung, die wir verdrängt haben. Können wir soviel Vertrauen aufbauen, dass wir sie ohne Angst betrachten können, um ihre Funktionsweise und ihren eigentlichen Kern zu erkennen?

Das Theater ermöglicht uns den Ausdruck der auftauchenden Energien und deren Gestaltung durch Körper (z.B. Haltung), Bewegung, Mimik und Stimme.

Diese Gestaltung ist sehr unmittelbar und kann nur im Jetzt geschehen. Die Darstellung zeigt sofort, ob sich jemand dem Thema nähert oder es umgeht.

Sie ist außerdem oft unterhaltsam und gibt einem innewohnenden Humor die Möglichkeit, sich zu zeigen.

 

Ein weiteres Beispiel: Jemand hat Schwierigkeiten mit Autoritäten, die sich als grundsätzliche Ablehnung von Führung äußern. Hier gäbe es verschiedene Möglichkeiten, sich dieses ausgelagerte Potenzial wieder anzueignen. Sei es in der genüsslichen Darstellung eines Tyrannen, also der Facette, welche die Person als Schreckensbild von Autorität in sich trägt. Oder in der Rolle eines Saboteurs, der sich schadenfroh Dinge ausdenkt, wie er einer Führung das Leben schwer machen kann. Oder aber auch in einer Hinführung zur Sehnsucht nach einer positiven, integeren Autorität, der er vertrauen kann. So kann eine bewusste Aneignung der damit verbundenen Energie stattfinden. Gleichzeitig wird das Innenleben oder die Genealogie einer bestimmten Geisteshaltung (Glaubenssatz, mentales Modell, Ideologie) für alle Beteiligten erlebbar.


Auf diese und ähnliche Weise erforschen wir die Funktionslogik der menschlichen Psyche und insbesondere das Phänomen „Schatten“, geben Anstöße für Integration und Erkenntnis und haben in vielen Fällen richtig Spaß dabei. Das „Kunstwerk Mensch“ breitet sich in vielen Facetten und Ausprägungen vor uns aus.