Höheres Sein ist umfassenderes Vereint-Sein

Vortrag François M.Wiesmann, Auszüge aus dem Skript

 

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Gemeinschaften wie die hier versammelten sind Versuche, eine intensivere Vernetzung und Synchronisierung von Einzelnen zu etablieren, um daraus eine Emergenz, eine höhere Ebene gemeinsamer Bewusstheit, entstehen zu lassen.

 

Gemeinschaft - seit einiger Zeit sehe ich eine Entwicklung:

Die Definition von Gemeinschaft über Form funktioniert immer weniger.

Alle essen vegan, haben gemeinsame Kasse, engagieren sich politisch in der gleichen Richtung, teilen freie Sexualität, sind Körperarbeiter, sind Buddhisten,....ist nach meiner Ansich ein Auslaufmodell.

 

Ein „neues WIR“ wird zuammengehalten von einem geteilten Innenraum, nicht von einer Übereinstimmung der Form. Dieser Raum hat eine Qualität: Bewusstheit.

Wer in Zukunft seine Gemeinschaft stabil halten will, muss seinen Fokus auf die Ausbildung von Bewusstheit richten.

 

Was könnte das heißen?

Gewahrsein für den Innenraum.

Wir brauchen für Gemeinschaft nicht nur die Fähigkeit, persönlich unseren Innenraum zu fühlen (was auch schon viel ist), sondern auch andere Innenräume zu fühlen und sie miteinander in eine gesunde Beziehung zu setzen. Dadurch wird Gemeinschaft persönlicher, intimer, sie bekommt ein Gesicht.

Wir fallen mehr und mehr an „unseren Platz“, weil das gesehen und adressiert wird, was an uns EINZIGARTIG ist, im Hellen wie im Dunkeln. Wir geben Antwort und erhalten Antwort auf das, was wir JETZT sind. Dadurch entsteht eine neue Dimension: ein Beziehungsraum in der Gegenwart. Wir fangen an zu sehen, was wirklich ist.

 

Die Stabilität wird nicht mehr durch äußere Gleichheit aufrecht erhalten (alle müssen, sollen, etc), sondern durch die Fähigkeit, einen stabilen und präzisen Beziehungsraum von vielen Menschen zu halten, der wahre Individualität und Einzigartigkeit tragen kann, weil er sich darauf beziehen kann. Das ermöglicht das Integrieren von viel mehr Verschiedenheit, ohne dass Verzettelung entsteht.

Das ist eine Stelle, die den Gemeinschaften bisher schwer fällt: Wie kann Einzigartigkeit und deren möglichst tiefe Ausprägung zusammengehen mit Gemeinsinn, mit Dienst am Ganzen, mit Hingabe an Gemeinschaft?

 

 

All Leaders

ist eine Vision, die in vielen Köpfen und Herzen lebt und in fast allen Gemeinschaften lebt. Ich beobachte allerdings,  dass dieses Prinzip nicht oder sehr mangelhaft funktioniert und an vielen Stellen Frustration hinterlässt.

Warum?

All Leaders dient auch als Konzept, um Angst und Unsicherheit zu verbergen.

  • Die, die führen wollen, sich aber nicht trauen, sich auszusetzen, nutzen es, um der Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen.
  • Die, die Angst haben, nicht hinterher zu kommen, nutzen es, um andere zurückzuhalten, anstatt der eigenen Angst ins Gesicht zu sehen.

 

... und dann gibts noch die, die aus Angst führen...

 

Der Kern dieser Vision ist sicherlich nicht verkehrt, aber sie ist mit Angst übertüncht und wird unlauter genutzt. Es verwischt den Blick auf die wirkliche Situation, wenn der Ruf nach all Leaders und Augenhöhe zu schnell kommt.

Natürlich möchte niemand den Schmerz wieder erleben, der entsteht, wenn man regelmäßig übergangen wird. Hier sind Regeln (z.B.Veto) sicherlich ein Schritt, um innezuhalten, eine Atempause, um sich zu besinnen. Eine Zeit lang und in gewissen Situationen ist es sinnvoll, wenn jeder ein Stop einlegen kann. Auf die Dauer aber ist es keine Lösung. Veto ist im Grunde die Umdrehung der Machtverhältnisse - damit der Schmerz nicht mehr passiert. Es kann nicht mehr einer alles allein durchziehen. Aber dafür kann einer alle anderen aufhalten. Für eine wirkliche Transformation von Führung und Entscheidungsfindung reicht das nicht.

 

Wenn ich mich in einem Kontakt kleiner oder dümmer wahrnehme als mein Gegenüber, kann ich das zwar durch Regeln von Gleichheit entschärfen -  aber es ändert nichts an der inneren Realität. Sich kleiner fühlen ist ein sehr unangenehmes Empfinden für die meisten und wird deswegen vermieden. Wenn mir das nicht ausreichend bewusst ist, werde ich es auf andere projezieren und ihnen vorwerfen, dass sie mich nicht ernst nehmen, ausnutzen, klein halten.

 

Es braucht an dieser Stelle ein neues Verständnis von Macht und ihrer Nutzung.

Dazu gehört unbedingt die Aufarbeitung unserer persönlichen und kollektiven Vergangenheit mit Autorität. Ohne diese Integration kein neues Machtverständnis. Dies geschieht in einem Raum tieferen Sehens, wo wir uns selbst und den anderen so tief erfassen, dass wir in Kontakt mir dem gehen können, was jetzt in unserem Beziehungsraum schwingt – z.B. Angst. Und damit wir nicht in einen neuen Befindlichkeitstaumel hineintaumeln, braucht es noch etwas: Die Bewusstheit für den transpersonalen Raum. Unsere Beziehung findet in einem größeren Raum statt, auf den wir uns gemeinsam beziehen können. Dann kann Angst etc. im Kontakt konfrontiert und geheilt werden.

Augenhöhe und AllLeaders funktioniert nur mit einem bewussten Innenraum.

 

Die Qualität, die jetzt gefragt ist, heißt Vertiefung des Innenraumes. Eine Art gemeinsames Gewahrsein und Training dafür.

Dabei geht es nicht nur darum, dass sich einzelne vertiefen. Es geht um eine Vertiefung von einzelnen PLUS eine Vernetzung dieser Vertiefungen in einem echten Beziehungsraum (u.a. präzise, ehrliche Feedbackschlaufen in einem gehaltenenRaum) Nur wenn sich vertieftes Bewusstsein vernetzen kann, entsteht daraus eine Kultur/Gemeinschaft/ ein hörerer Bewusstseinsschwerpunkt für ein System.

RAUM DES SEHENS.

Das ist der neue Schritt. Das ist Upgrade.

 

Viele einzelne gehen schon spirituelle Wege in Gemeinschaften. Aber meist jeder für sich. Es gibt fast ein Tabu, diese Bewusstseinswege innerlich zu vernetzen. (Vielleicht die deutsche Angst vor Missbrauch??) Genau das braucht es aber als nächsten Schritt, denn wir wollen uns als Kultur upgraden!! Und genau das fehlt auch in unserer mitteleuropäischen Kultur als Ganzes: Gemeinsame Heiligkeit ist extrem Angst- und Schambesetzt und deswegen Tabu!

Und es geht hier noch einen Schritt weiter: Die Gemeinschaften werden es nicht nur für sich tun.

Das Potential, einen kollektiven Innenraum zu schaffen, in dem das gefühlt werden und auch ausgedrückt werden kann, was bisher gesellschaftlich keine Heimat findet und als Schatten im kollektiven Unbewussten „herumlungert“ und „Projektions-Realitäten“ schafft, ist vielversprechend.

 

Welche Orte wären besser geeignet als die, wo sich Menschen sowieso schon committet haben, zusammen Modelle für eine andere Welt zu schaffen? Wo sich Menschen sowieso schon mehr als viele andere der Heilung der Vergangenheit und dem Erforschen ihres Innenraums verpflichtet haben?

 Höheres Sein ist umfassenderes Vereintsein. Auf so vielen Ebenen haben wir es in Gemeinschaften es schon begonnen – Ökonomie, Kinderaufwachsen, Sexualität und Beziehung, Arbeit, Ökologie und Umweltschutz, Schattenarbeit/Therapie etc. Aber den Weg zum Höchsten gehen wir noch allein  - oder meiden ihn. Wie wäre es aber, wenn wir DAS teilen: Das Ringen um das Höchste. Das durch uns leuchten zu lassen, wofür wir hier sind und wofür wir unser Leben widmen. Und uns darin so beherzt zusammen zu tun, dass eine Kultur daraus entsteht – eine leuchtende Kultur FÜR das Leben auf diesem Planeten!